Dr. Benjamin Möckel

Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte

Georg-August-Universität Göttingen

Heinrich-Düker Weg 14

DE

37073 Göttingen

benjamin.moeckel@uni-goettingen.de

Forschung und Projekte

Derzeitige Position(en)

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Aktuelle(s) Projekt(e)

Konsum, Moral und Globalität in der Bundesrepublik und Großbritannien, ca. 1960-1990 (Habilitationsprojekt)
Die 1960er bis 1980er Jahre können als Sattelzeit neuer Vorstellungen von globaler Gemeinschaft und eines gemeinsam geteilten moralischen Bewusstseins interpretiert werden. Mit den Menschenrechten entsteht in dieser Zeit eine neue Pathosformel für die globale Gültigkeit grundlegender moralischer Normen, in der Entwicklungshilfe ist die Epoche durch den Optimismus einer in kurzer Zeit erreichbaren globalen Modernisierung geprägt, und durch neue Möglichkeiten der medialen Berichterstattung werden Nachrichten über Naturkatastrophen oder Hungersnöte zu global rezipierten Medienereignissen, in denen das Leid in weit entfernten Weltgegenden unter einer neuen moralischen Relevanz wahrgenommen wird.
Das Forschungsprojekt fragt in diesem Zusammenhang nach der Bedeutung von Konsumprodukten und Konsumpraktiken als symbolischem Ausdruck einer „Moralisierung des Alltags“, wie er für diese drei Dekaden zu erkennen ist. In einem größeren Zusammenhang geht es dabei um die diskursive und praxelogische Verschränkung von Konsum und Moral. Während auf einer diskursiven Ebenen die Gesellschaftskritik der 60er bis 80er Jahre meist mit einer Kritik an der westlichen „Konsum- und Überflussgesellschaft“ einherging, lassen sich auf einer praxeologischen Ebene zahlreiche Phänomene aufzeigen, in denen Konsumprodukte emphatisch mit moralischer Bedeutung aufgeladen wurden und der Konsum selbst mehr und mehr als eine moralische Praxis aufgefasst wurde. Dies gilt insbesondere für viele der zeitgenössischen Solidaritätsbewegungen mit der sogenannten „Dritten Welt“, die oft in zentraler Weise auf Konsumhandlungen als Mittel einer symbolischen Herstellung von Globalität zurückgriffen.
Dieser Idee wird in dem Projekt nachgegangen, indem vor allem nach der Übersetzung zeitgenössischer moralischen Forderungen in konkrete Konsumpraktiken gefragt wird. Durch den Kauf (oder auch Nicht-Kauf) bestimmter Produkte konnten so symbolische Formen der Empathie und Solidarität zum Ausdruck gebracht und in den persönlichen Alltag eingefügt werden. Die moralische Aufladung des Konsum lässt sich dabei als Teilaspekt einer identitären Aufladung von Konsumentscheidungen verstehen, wie sie ab den 1960er Jahren von immer größerer Bedeutung wurde.
Das Projekt betrachtet dabei u.a. den sich globalisierenden und professionalisierenden Spendenmarkt in Großbritannien und der Bundesrepublik, den strategischen Einsatz von Konsumpraktiken durch NGOs wie Amnesty International oder Oxfam, die Bedeutung von Konsumboykotten als Mittel des politischen Protestes (z.B. im Anti-Apartheid-Movement), aber auch die Entstehung des „Fairen Handels“ ab den 1970er Jahren sowie von moralisch aufgeladenen Vergemeinschaftungsformen wie den Konzertreihen von Amnesty International oder das Live-Aid-Konzert aus Anlass der Hungersnot in Äthiopien. Die Beispiele werden dabei als neue Praktiken des persönlichen Alltags interpretiert, die ein Gefühl globaler Solidarität inszenierten und zugleich in etablierte Modi moderner Konsum- und Unterhaltungsformen einordneten.

Frühere Position(en)

Wiss. Mitarbeiter im DFG-Forschungsprojekt "Die Wunschkindpille in der DDR"
(Universität Jena)
Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg "Generationengeschichte"
(Universität Göttingen)

Veröffentlichungen

Monographien (und Dissertation)

Erfahrungsbruch und Generationsbehauptung. Die 'Kriegsjugendgeneration' in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften, Göttingen 2014. (Dissertation)

"Nutzlose Volksgenossen"? - Der Arbeitseinsatz alter Menschen im Nationalsozialismus, Berlin 2010.
(veröffentlichte Magisterarbeit)

Artikel

„Die Bewährung der jungen Generation“. Geschlechterbilder in Jugendtagebüchern des Zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit, in: Li Gerhalter /Christa Hämmerle (Hg.), Krieg - Politik - Schreiben. Tagebücher von Frauen 1918-1950, Köln 2014.

Der Krieg als Generationserfahrung? Jugendliche und die Gewalterfahrung des Zweiten Weltkriegs in den deutschen Nachkriegsgesellschaften, in: David Reinicke, Kathrin Stern, Kerstin Thieler, Gunnar Zamzow (Hg.), Gemeinschaft. Kulturelle Inszenierung und soziale Praxis, Paderborn 2014, S.157-179.

„Warum schweigt die junge Generation?“ – Die Jugend des zweiten Weltkriegs im Spannungsfeld ambivalenter Generationserwartungen, in: Kirsten Gerland / Benjamin Möckel / Daniel Ristau (Hg.), Generation und Erwartung. Konstruktionen zwischen Vergangenheit und Zukunft, Göttingen 2013.

„Mit 70 Jahren hat kein Mensch das Recht, sich alt zu fühlen." - Altersdiskurse und Bilder des Alters in der NS-Sozialpolitik, in: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 22(2011), Nr.3, S.112-135.

Herausgeberschaften und Editionen

Kirsten Gerland / Benjamin Möckel / Daniel Ristau (Hg.), Generation und Erwartung. Konstruktionen zwischen Vergangenheit und Zukunft, Göttingen 2013.

Forschungsinteressen und Arbeitsgebiete

Konsumgeschichte
Globalisierung von Empathie und Moralvorstellungen
Generationengeschichte
Selbstzeugnisforschung
Geschichte des Nationalsozialismus und dessen Erinnerung