Celia Krause: TextGrid – Digitaler Werkzeugkasten und Virtuelle Forschungsumgebung für Geisteswissenschaftler
Abstract
Im Umgang mit Forschungsdaten kann der Wissenschaftler heute auf eine Fülle von Anwendungen und Werkzeugen des Web 2.0 zurückgreifen. Eine disziplinenübergreifende Studie der Kommission „Zukunft der Informationsinfrastruktur“ (vorgelegt im April 2011) nimmt u.a. Bezug auf die Virtuellen Forschungsumgebungen, deren Entwicklung in den Geisteswissenschaften hierzulande noch am Anfang steht. Das 2006 initiierte Projekt TextGrid (http://www.textgrid.de) ist ein Beispiel für eine solche Forschungsumgebung. TextGrid wird seit 2009 als Verbundprojekt vom BMBF gefördert. Die speziell entwickelte Arbeitsumgebung besteht aus einer flexiblen gridbasierten Infrastruktur, die unterschiedliche Werkzeuge und Dienste für die Erschließung, Auswertung und Publikation von dokumentierten kulturellen Hinterlassenschaften (v.a. Texten und Handschriften) unter einer gemeinsamen Benutzeroberfläche zur Verfügung stellt. Ein angebundenes Repositorium dient der Archivierung und Nachnutzung von Forschungsdaten. Der Kurzvortrag erörterte Chancen und Veränderungen, die sich durch kollaboratives Arbeiten in einer Virtuellen Forschungsumgebung für digitale Texteditionen ergeben. Neben der angestrebten Beschleunigung des Forschungsprozesses sind folgende Entwicklungen denkbar: Die Wissenschaftskommunikation wird vor allem durch weitere Rezipientenkreise und die Arbeit und Abstimmung im Kollektiv geprägt sein, was eine engere Verschränkung über Fach-, Länder- und Projektgrenzen hinweg zur Folge haben wird. Auch Ergebnisabbildung und Wissensrepräsentation werden beeinflusst, indem selbst einzelne Arbeitsschritte bzw. Teilergebnisse abgebildet und veröffentlicht werden können und sich Überlieferungszusammenhänge von Texten verknüpfen und vielschichtig darstellen lassen.[1] Die Auswertung von Daten besitzt eine neue Qualität, sobald eine semantische Analyse von kodierten Texten durchführbar ist. Selbst heterogenes Material kann dann standardisiert in einer kritischen Masse untersucht werden, was zu tragfähigeren Ergebnissen führen kann. Zuletzt wurde diskutiert, inwiefern die Nutzung solcher Infrastrukturen eine Genese neuer Methoden und Forschungsansätze erwirken kann. Dabei wäre nach einer anderen Dimension von Zusammenarbeit zu fragen, etwa durch Echtzeitzugang zu Forschungsdaten und gemeinschaftliche Ressourcenteilung innerhalb einer bunt gemischten Fächer-Community. Auch ist der Ausbau interdisziplinärer Forschungsmodelle und Begleitstudien sinnvoll, die geisteswissenschaftliche Methoden für die Entwicklung von Tools und Standards fruchtbar machen.
Anmerkung:
[1] So sind z.B. beschriebene Textstrukturen an den verlinkten Handschriften direkt überprüfbar, was am Beispiel der Digitalen Mozart-Edition erläutert wird: „Das digitale Format ermöglicht, im Rahmen urheberrechtlicher Beschränkungen, eine Verknüpfung der Quellen (in digitalen Faksimiles) und der Edition. Die Darstellung von Varianten und abweichenden Fassungen wird gegenüber dem herkömmlichen Druckmedium wesentlich erleichtert und bietet dem Benutzer die Möglichkeit des unmittelbaren Vergleichs. Bei geeigneter Quellenlage kann die Werkgeschichte in ihren wichtigsten Stadien repräsentiert werden.“ (http://dme.mozarteum.at/DME/main/index.php?l=, zuletzt abgerufen am 14.10.2011.)
Weitere Informationen zum Vortrag
- Zum bisher verhaltenen Umgang von Forschern mit den Möglichkeiten des Web 2.0: R. Procter / R. Williams / J. Stewart, If you build it, will they come? How researchers perceive and use web 2.0. Research Information Network 2010, http://www.rin.ac.uk/system/files/attachments/web_2.0_screen.pdf, zuletzt abgerufen am 13.10.2011.
- Kommission Zukunft der Informationsinfrastruktur, Gesamtkonzept für die Informationsinfrastruktur in Deutschland, http://www.allianzinitiative.de/fileadmin/user_upload/KII_Gesamtkonzept.pdf, zuletzt abgerufen am 13.10.2011.
- Pressemitteilung der Leibniz-Gemeinschaft, http://www.leibniz-gemeinschaft.de/?nid=infrastr&nidap=&print, zuletzt abgerufen am 14.10.2011.
- Informationen zum Verbundprojekt „TextGrid - Vernetzte Forschungsumgebung in den eHumanities“ seit 2009: http://www.textgrid.de/fileadmin/TextGrid/div/090804_Nachtrag_oeffentlich.pdf
- A. Aschenbrenner / T. Blanke et al., Von e-Science zu e-Humanities – Digital vernetzte Wissenschaft als neuer Arbeits- und Kreativbereich für Kunst und Kultur, in: BIBLIOTHEK Forschung und Praxis 31.2007 Nr. 1, S. 11-21.
- J. Dieter, Historisch-kritische Edition im virtuellen Raum. Möglichkeiten und Grenzen elektronischer Editionen vor dem Hintergrund einiger Kernprobleme der Editionswissenschaft (2002) v.a. S. 9-20, http://www.jolifanto.de/wissenschaft/webrhetorik/Textedition.pdf, zuletzt abgerufen am 14.10.2011
Zur Person
Celia Krause studierte Klassische Archäologie, Alte Geschichte und Latein an den Universitäten Heidelberg und Köln. Von 2006–2010 war sie an der Universitätsbibliothek Heidelberg im Rahmen des DFG-geförderten Projekts „Virtuelle Fachbibliothek Altertumswissenschaften: Propylaeum“ beschäftigt. Seit 2011 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Verbundprojekt „TextGrid - Vernetzte Forschungsumgebung in den eHumanities“ am Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft der Technischen Universität Darmstadt. Im Rahmen ihres Promotionsvorhabens untersucht sie das Wechselverhältnis von Bild und Schrift in der antiken Flächenkunst.
Kontakt
Celia Krause, M.A.
Projekt TextGrid
TU Darmstadt
Institut für Sprach- und Literaturwissenschaft
Hochschulstraße 1
64289 Darmstadt
Kontakt: |