Moderne Stadtgeschichte

Moderne Stadtgeschichte

Einleitung

Die moderne Stadtgeschichtsforschung bewegt sich in einem Spannungsfeld mehrerer Perspektiven zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsbezügen, internationaler und interdisziplinärer Orientierung sowie zwischen Urbanisierungs- und Lokalgeschichte. Diese Blickwinkel kreuzen und überlagern sich innerhalb eines zeitlichen Spannungsbogens von der Frühen Neuzeit zur Zeitgeschichte natürlich vielfach; doch sind damit Akzentuierungen und Abgrenzungen verbunden, die die Forschungslandschaft nachhaltig prägen. So hat sich die moderne Stadtgeschichtsforschung seit den 1960er Jahren bewusst von der bis dahin vorherrschenden Konzentration auf ältere historische Perioden und auf Stadtmonografien entfernt und stärker der Urbanisierung des 19. und 20. Jahrhunderts sowie neueren sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansätzen angenähert. Der Urbanisierungs- und neueren Stadtgeschichte wird dabei eine hohe – und weltweit stark wachsende - gesamtgesellschaftliche Relevanz als zentraler Prozess der Sozialgeschichte der Neuzeit zugesprochen, die etwa in Großbritannien oder Frankreich längst anerkannt ist.

Diese Ausrichtung kann in mehrfacher Hinsicht an die konzeptionellen Anfänge der stadthistorischen Forschung als geschichtswissenschaftlicher Teildisziplin im späten 19. Jahrhundert anknüpfen. Damals erschienen die ersten Arbeiten insbesondere zur städtischen Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, und Max Weber sowie Werner Sombart räumten der europäischen bzw. der Industriestadt einen prominenten Platz in ihren Theorie-Entwürfen ein. Heute ist die historische Stadtforschung von drei übergreifenden Trends gekennzeichnet, die auch im Fokus dieses Online-Guide stehen: Von einer internationalen – vor allem europäischen - Ausrichtung und Vernetzung, von neueren Fragestellungen etwa zur städtischen Medien- und Umweltgeschichte, sowie von einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit insbesondere mit der planungsgeschichtlichen, aber auch der stadtsoziologischen und –ethnografischen Forschung. Einen Einstieg in die neueren Diskussionen und Positionen bieten die Veröffentlichungen und Positionspapiere der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Urbanisierungsforschung GSU.

In diesem Online-Guide wird vorrangig auf die moderne geschichtswissenschaftliche Forschung zur Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts in ihren europäischen Bezügen und Netzwerken eingegangen. Die planungs- und baugeschichtlichen Perspektiven der Nachbardisziplinen werden dabei stärker, die Forschung zu älteren historischen Epochen hingegen nur punktuell einbezogen. Im folgenden werden zunächst die wichtigsten Zeitschriften, Portale und Datenbanken genannt und daran anschließend die zentralen Institutionen im In- und Ausland, die das ganze Spektrum fachwissenschaftlicher Aktivitäten von der Forschung bis zur Lehre anbieten.

 

Autor

Dr. Christoph Bernhardt ist Historiker und Projektleiter am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner bei Berlin; Mitarbeit: Jan Bockelmann, TU Berlin

Stand: November 2008